Die Suche nach der regionalen Traube

Zurück zur Übersicht

Produktion Umwelt

Rebberge prägen das Bild vieler Gegenden in der Schweiz und Süddeutschland. Es mag deshalb sinnlos erscheinen, Trauben zu importieren. Doch der Schein trügt. Aktualisiert am 27.6.2023

Die Rebstöcke von Giannis Kollias sind über 30 Jahre alt und seit 2004 ausschliesslich biologisch bewirtschaftet.

Die Rebstöcke von Giannis Kollias sind über 30 Jahre alt und seit 2007 ausschliesslich biologisch bewirtschaftet.

"Warum sollte ich bei Ihnen Trauben aus Griechenland kaufen, wenn es Trauben aus der Schweiz gibt?" Fragen wie diese erreichen uns immer wieder.

Es ist eine verständliche Frage. Sehen wir doch vielerorts in der Schweiz oder Süddeutschland Hügel und Berge, die von Rebstöcken überzogen sind.

Diesen Eindruck, dass hierzulande Unmengen an Trauben wachsen, bestätigen auch Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft: 2020 kultivierten Schweizer Bauernfamilien landesweit Trauben auf einer Fläche von rund 14'700 Hektar. In Deutschland beläuft sich die Anbaufläche sogar auf über 100’000 Hektar Land.

Anbaufläche für Schweizer Tafeltrauben wird nicht mehr erhoben

So beeindruckend diese Zahlen sind, so sehr leiten sie uns auf eine falsche Fährte. In diesen Rebbergen wachsen nämlich fast ausnahmslos Trauben, die ein einziges Ziel haben: die Weinflasche.

In der Schweiz werden tatsächlich so wenig Tafeltrauben angebaut, dass es gar keine genauen Zahlen gibt, wie uns Herbert Zufferey vom Schweizer Obstverband mitteilt. Den Schweizer Ertrag kann Zufferey nur schätzen. Etwa 200 Tonnen pro Jahr könnten es sein, schreibt er uns.

So ganz richtig ist das aber nicht. Immerhin bis 2019 gab es jährlich Statistiken zur Anbaufläche von Tafeltrauben, erhoben vom Bundesamt für Landwirtschaft. Doch seit 2020 ist das vorbei. Das Bundesamt hat letztes Jahr auf eine neue Erhebungsmethode umgestellt und publiziert die Zahlen nun unter dem Namen Flächenstatistik Obstanlagen Schweiz. Darin kommen Tafeltrauben aktuell nicht vor – vermutlich weil die Anbaufläche zu klein ist.

Für 2019 nannte das Bundesamt eine Anbaufläche von rund 17 Hektar – knapp 2 weniger als im Vorjahr. Pro Hektar stehen im Schnitt 5000 Rebstöcke, die jeweils rund 2.5 Kilo Trauben pro Saison produzieren. Davon ausgehend ist Zuffereys Schätzung von 200 Tonnen Schweizer Jahresertrag also ziemlich akkurat. Zumindest für 2019.

99 Prozent der in der Schweiz erhältlichen Trauben sind importiert

Diesem potenziellen Ertrag von ungefähr 200 Tonnen im Jahr stehen in der Schweiz jährlich rund 40'000 Tonnen realer Konsum von Tafeltrauben gegenüber. Zwangsläufig kommen 99 Prozent dieser Früchte aus dem Ausland. Primär aus Italien und Griechenland. In Deutschland sieht es nicht anders aus. 2019 importierte das Land rund 317'000 Tonnen Tafeltrauben.

Und warum? Zu hohe Produktionskosten bei uns. Für Schweizer Bauern lohne es sich schlicht nicht, Tafeltrauben anzubauen, sagt Herbert Zufferey vom Obstverband.

Die Traube reagiert ausserdem je nach Sorte sehr launisch auf das Klima. Natürlich gibt es Sorten, denen es in unseren Gefilden prächtig ergeht. Am wohlsten fühlen sich die Reben aber in gemässigten Zonen wie etwa dem Mittelmeerraum.

Gute Erträge für 2023 in Griechenland erwartet

Genau von dort kommen auch unsere Tafeltrauben. Auf der griechischen Halbinsel Peloponnes bauen Giannis Kollias und seine Familie Bio-Trauben der Sorte Soultanina an. 2023 bekommen wir die Früchte zum sechsten Mal.

Die aktuelle Saison verläuft bisher besser als die letzten zwei. Während die rund 30 Jahre alten Reben in den vergangenen zwei Jahren einiges an Stress aushalten mussten – Hitze und Trockenheit – geht es ihnen dieses Jahr viel besser. "Es hat viel geregnet bisher und die Wetterbedingungen sind ziemlich gut", sagt Giannis Kollias.

Bei den Hitzewellen in den Jahren 2021 und 2022 verlor der Bauer zwischen 50 und 80 Prozent seiner Ernte. Für dieses Jahr ist er aber guter Dinge und rechnet mit bis zu 13 Tonnen. Sofern der Juli und August ihm keinen Strich durch die Rechnung machen.

Die Hitze im Juni hat einige der Früchte zerstört. Giannis Kollias muss sie von Hand entfernen.

Die Hitze im Juni hat einige der Früchte zerstört. Giannis Kollias muss sie von Hand entfernen.

Seit 2014 bewirtschaften Giannis Kollias und seine Frau die Reben, die sein Vater 1990 pflanzte.

Seit 2014 bewirtschaften Giannis Kollias und seine Frau die Reben, die sein Vater 1990 pflanzte.

Konventioneller Anbau lohnt sich nicht mehr

Der Bio-Anbau von Tafeltrauben ist aber auch ohne Hitze anspruchsvoll. Giannis Kollias geht oft durch seine Felder und prüft die Trauben einzeln. Früchte, die von Schädlingen oder Krankheiten befallen sind, entfernt er. Manchmal kann er die Reben auch mit Bakterien behandeln, die die Früchte schützen.

Der ganze Anbau wäre für Kollias und seine Familie einfacher, wenn er Pestizide und Dünger verwenden würde. Doch er weiss, dass er so der Umwelt schaden und auch seine eigene Gesundheit sowie die jener Menschen gefährden würde, die die Trauben am Ende essen.

Ausserdem bekäme er für konventionell angebaute Trauben einen wesentlich schlechteren Preis und würde wahrscheinlich so enden, wie sein Nachbar. Der hat seine Felder inzwischen verlassen. Der Anbau lohnte sich für ihn nicht mehr. Genau wie in der Schweiz und Deutschland.


Verwendete Quellen

Datenbank der Eidgenössischen Zollverwaltung: Swiss-Impex

Bundesamt für Landwirtschaft: Obst- und Tafeltraubenanlagen der Schweiz 2019 (abgerufen am 15.7.2020)

Bundesamt für Landwirtschaft: Flächenstatistik Obstanlagen Schweiz 2020 (abgerufen am 5.8.2021)

Bundesamt für Landwirtschaft: Das Weinjahr 2019 (abgerufen am 15.7.2020)

Bundesamt für Landwirtschaft: Das Weinjahr 2020 (abgerufen am 5.8.2021)

Datenbank der Food and Agriculture Organization of the United Nations: FAOSTAT

Datenbank des Statistischen Bundesamtes Deutschland: Genesis-Online