Wie Quinoa vom Pionier- zum Massenprodukt wurde

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Produktion Einblicke
Quinoafeld und Strasse

Ausser Quinoa wächst in den bolivianischen Hochebenen der Anden praktisch nichts.

Das Pseudogetreide Quinoa steht heute in fast jedem Supermarkt, steckt in Takeaway-Salatbowls, wird in Restaurants serviert. Es ist noch nicht lange her, da kämpften zwei Pioniere dafür, dass es das Korn bei uns überhaupt zu kaufen gibt.

Es ist das Jahr 2007, Patric Fuhrimann und seine Partnerin Hoa Tran wollen zum ersten Mal Quinoa in die Schweiz bringen. Die beiden leben zu der Zeit in Bolivien, arbeiten in der Entwicklungszusammenarbeit. Durch diese Arbeit haben sie enge Freundschaften zu Bauernfamilien vor Ort geknüpft, für die sie die Schweiz als Markt erschliessen wollen.

Sie verfassen einen Businessplan auf einer Serviette – er hängt noch heute in ihrem Büro – und importieren 20 Tonnen Quinoa aus Bolivien. Einen ganzen Hochseecontainer voll. Wer das Korn kaufen soll, wissen die beiden zu diesem Zeitpunkt noch nicht, sie haben keinen einzigen Kunden.

Als wäre das nicht Herausforderung genug, meldet sich der Schweizer Zoll mit einer happigen Rechnung: 30 Franken pro 100 Kilo. 6000 Franken müssen Fuhrimann und Tran für die gesamte Ladung also zahlen.

Was ist Quinoa?

6000 Franken Zoll für 20 Tonnen! Warum so viel? Die eidgenössische Zollverwaltung weiss damals noch nichts mit Quinoa anzufangen und stuft die Körner als Konkurrenzgetreide zum heimischen Weizen ein. In den Augen der Zollverwaltung ist also die Schweizer Landwirtschaft bedroht. So einer Gefahr muss natürlich mit Sanktionen Einhalt geboten werden.

Quinoa ist aber gar kein echtes Getreide und erst recht keine Konkurrenz für Weizen. Das Korn zählt wie Amaranth zu den sogenannten Pseudogetreiden und ist botanisch Teil der Familie der Fuchsschwanzgewächse. Quinoa ist also verwandt mit Spinat und Rüben. Die Körner bilden eine hervorragende Alternative zu Reis oder Couscous, machen sich geflockt oder gepufft auch gut in Müsli oder Riegeln.

Noch bevor auch nur 1 Kilo Quinoa aus dem Container verkauft ist, entscheiden Fuhrimann und Tran, gegen den in ihren Augen absurden Importzoll vorzugehen. "Die Schweiz investierte damals 20 Millionen Franken pro Jahr in die Entwicklungszusammenarbeit in Bolivien. Gleichzeitig ein Produkt, das die wirtschaftliche Entwicklung ohne Hilfsgelder vorantreiben kann, derart zu besteuern, passte für uns einfach nicht zusammen", sagt Fuhrimann.

Bundesrat hebt Zölle auf

Die Zollverwaltung winkt allerdings direkt ab. Diese Zölle könnten nicht so leicht geändert werden, höchstens der Bundesrat könnte da eingreifen, teilt die Verwaltung mit. "Wir haben dann sofort einen Antrag beim Bundesrat gestellt, die Zölle für Quinoa aufzuheben", sagt Fuhrimann, als sei so ein Antrag das normalste der Welt. Nur zwei Monate später teilt der Bundesrat offiziell mit, dass Quinoa fortan zollfrei importiert werden kann.

Gestärkt durch diesen Erfolg, tingeln die Pioniere Samstag um Samstag in Bioläden im ganzen Land, erklären neugierigen Menschen, was Quinoa ist, führen Degustationen durch und umwerben die Gastronomie. Swipala beliefert fortan Restaurants, Bioläden, Verarbeiter und gebana. Neben Quinoa importieren sie aus Bolivien inzwischen auch Canihua, Chiasamen und Kaffee.

In Bolivien selbst arbeitet Swipala, wie Furhimann und Tran ihr Unternehmen getauft haben, von Anfang an mit demselben Partner zusammen. Er kümmert sich vor Ort um die lokale Verarbeitung.

Wo wächst Quinoa?

Im Anbau hat sich in all dieser Zeit allerdings nur wenig verändert. Die Bauernfamilien leben auf Hochebenen in den Anden auf 3500 bis 4000 Metern über dem Meer. Die Böden sind karg und trocken. Hier wächst fast nichts. Die Quinoapflanze ist perfekt an diese Bedingungen angepasst.

"Der Anbau ist immer noch viel Handarbeit", sagt Fuhrimann. Aussäen können die Bauernfamilien inzwischen zwar mit Traktoren, aber insbesondere bei der Ernte müssen sie wortwörtlich Hand anlegen. "Die Hauptschwierigkeit ist, dass die Quinoastauden nicht gleichzeitig reif werden. Sie müssen also immer wieder zu Fuss über das Feld gehen und spezifisch die reifen Stauden schneiden."

Einige Familien haben eine Art Mähdrescher, den sie am Rand ihrer Felder abstellen. Dort werfen sie die handgeschnittenen Stauden dann ein. "Viele dreschen aber immer noch von Hand", sagt Fuhrimann.

Die Familien leben allesamt vollständig vom Quinoa-Anbau. Auf ihrem Land wächst schlicht nicht viel anderes. Manche bauen noch mit Kartoffeln oder Canihua für den Eigenbedarf an. Ihr Einkommen stammt aber praktisch zu 100 Prozent aus dem Verkauf der Quinoa.

Quinoa-Boom verbessert Einkommen der Bauernfamilien

Heute ist Quinoa weltweit bekannt und erfreut sich grosser Beliebtheit. Das hat auch die Wahrnehmung des Korns vor Ort verändert. "Ich habe vor 20 Jahren, während unserer Zeit in Bolivien, nicht ein Restaurant gesehen, das Quinoa auf der Speisekarte hatte", sagt Fuhrimann. Quinoa galt als Arme-Leute-Essen. "Heute ist das anders. Durch den Boom zwischen 2013 und 2014 sind viele Junge zurück aufs Land gezogen, weil sie das Potenzial für Anbau und Verkauf erkannt haben. Ausserdem hat man viel in die Infrastruktur investiert."

Aber wenn in den Anbaugebieten ausser Quinoa fast nichts wächst, was bleibt der lokalen Bevölkerung nach dem Verkauf? Nehmen wir ihnen nicht ein Grundnahrungsmittel weg? "Ich höre diese Fragen immer wieder und nehme sie regelmässig mit zu den Produzent:innen vor Ort", sagt Fuhrimann. "Sie schauen mich dann immer mit grossen Augen an, weil sie nicht verstehen, wie man auf so eine Idee kommen kann. Wenn wir ihnen das Essen nehmen würden, wäre das für sie sofort ein Grund, mit dem Verkauf aufzuhören."

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Durch den Verkauf haben die Familien ein gutes Einkommen und können so andere Produkte kaufen, die sie sich vorher nicht leisten konnten."Da wir Quinoa direkt und ohne Zwischenhandel aus Bolivien kaufen, unterstützen wir ganz konkret die Produzentenfamilien vor Ort", sagt Fuhrimann.

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Verwendete Quellen:

Medienmitteilung des Bundesrats: Zollpräferenzen auf Zuckereinfuhren - Zollfreiheit für Spezialitätengetreide aus den Anden, https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-16137.html (abgerufen am 2.9.2024)

Datenbank des Bundesamts für Zoll uns Grenzsicherheit, Swiss-Impex, https://www.gate.ezv.admin.ch/swissimpex/index.xhtml

Wikipedia-Eintrag zu Quinoa, https://de.wikipedia.org/wiki/Quinoa (abgerufen am 2.9.2024)