Ohne Wald keine Paranüsse
Unsere Paranüsse kommen von Coopavam aus Brasilien. Die Kooperative schafft Einkommen für über 300 Familien mitten im Regenwald. Mitbegründerin Luzirene Coelho Lustosa erzählt, wie sie dem Kleinprojekt zum Erfolg verholfen hat und damit den Wald schützt in einem Land, in dem Abholzung und gigantische Monokulturen allgegenwertig sind.
Auf dem feuchten Boden liegen braune Kapseln mit faseriger Schale. Sie sehen fast wie Kokosnüsse aus. Zahlreiche Menschen aus den umgebenden Dörfern sind heute unterwegs und sammeln die Kapseln vom Waldboden. Ein, zwei, drei Schläge mit der Machete und die dicke Schale gibt ihr Inneres preis: über ein Dutzend Samen, noch ganz feucht. Diese Kerne – die Paranüsse – haben noch einen weiten Weg vor sich, bis sie in unseren Schüsseln und Znüni-Boxen landen. Für uns ein Snack, für die Menschen vor Ort eine Lebensgrundlage.
Dass wir diese Nüsse aus dem Regenwald geniessen können, ist der Verdienst der Kooperative Coopavam mit Sitz in Juruena im Bundesstaat Mato Grosso, Brasilien. Allen voran von Luzirene Coelho Lustosa, die seit Gründung der Kooperative im Jahr 2008 dabei ist und nun seit über 6 Jahren alle Fäden zusammenhält. "Als ich die Verwaltung übernommen habe, hat niemand daran geglaubt, dass man mit dem Sammeln von Paranüssen erfolgreich sein kann. Ähnliche Projekte sind gescheitert. Es gab viele Negativbeispiele."
Die 70-köpfige Kooperative arbeitet mit über 300 Sammler:innen zusammen. Auf einer Fläche von insgesamt über 15‘000 Quadratkilometern sammeln die Dorfbewohner:innen im Regenwald die wertvollen Nüsse vom Waldboden. Der überwiegende Teil von ihnen stammt von indigenen Stämmen, deren Heimat seit jeher im riesigen Regenwald liegt.
Paranüsse sind einzigartig – und bedroht
Einzigartig an der Paranuss ist, dass sie ausschliesslich im Regenwald vorkommt. Die bis über 50 Meter hohen Paranussbäume brauchen das Ökosystem des Waldes, um gedeihen zu können. Ohne umgebende Vegetation oder in einer Monokultur mit anderen Paranussbäumen verkümmern sie. Entsprechend gering sind die weltweit produzierten Mengen an Paranüssen. Nur rund 26‘000 Tonnen kommen davon jährlich in den Verkauf. Zum Vergleich: bei den Mandeln sind es 1,3 Millionen Tonnen.
Ohne Wald gibt es also keine Nüsse und damit kein Einkommen für die Sammler:innen vor Ort. Die Arbeit von Coelho Lustosa und der Kooperative trägt unmittelbar dazu bei, dass der Wald erhalten bleibt. Im Fall von Paranussbäumen ergibt das umso mehr Sinn, da sie sehr viel CO2 aus der Umgebung aufnehmen. Sie gehören zu den wichtigsten Kohlenstoffspeichern im Regenwald.
Bedroht ist der Wald in Brasilien allemal. Seit Jahrzehnten wird im grossen Stil gerodet, um Platz für gigantische Sojaplantagen oder Rinderfarmen zu schaffen. Zu Beginn war der Umweltgedanke aber nicht ausschlaggebend für Coopavam, wie uns Coelho Lustosa erklärt: "Am Anfang war den Bewohnern die Nachhaltigkeit nicht wichtig. Für sie ging es ums Überleben."
Im Zuge der Landreform Anfang der 1990er Jahre erhielten rund 250 Familien in der Region um Juruena je ein Stück Land mit einer Fläche von rund 20 Hektar. Allerdings reichten die Erträge kaum fürs Nötigste. Die Konkurrenz durch die Grossbetriebe mit ihren oft über 10‘000 Hektaren grossen Anbaugebieten war zu stark. "Es war eine schlechte Grundlage. Die Leute brauchten andere Einkommensmöglichkeiten, um gut leben zu können."
Neue Perspektiven für die lokale Bevölkerung
Dank dem Engagement von Luzirene Coelho Lustosa und Coopavam haben die Menschen vor Ort mittlerweile ein stabiles Einkommen. Planen und Vorausdenken ist wieder möglich. Damit der Ansatz von Coopavam funktioniert, ist laut Cuelho Lustosa das Vertrauen und der direkte Kontakt zu den Sammler:innen wichtig: "Früher gab es teilweise Probleme, dass die Arbeiter nicht rechtzeitig bezahlt wurden. Wir suchten den direkten Kontakt, um die Leute wieder zu motivieren."
Paranüsse sammeln ist während drei bis vier Monaten im Jahr möglich, wenn die reifen Kapseln zu Boden fallen. In dieser Zeit verdienen die Sammler:innen in der Regel 1500 bis 3000 Euro – das ist mehr als ein ganzer Jahresmindestlohn in Brasilien. Für die Bauernfamilien ein lukrativer Zusatzverdienst. Für die indigenen Sammler:innen das Haupteinkommen.
Doch wie kann man auf einem so grossen Gebiet zusammenarbeiten? Antônio Vieira de Mello Neto von Coopavam besucht die Dörfer der Indigenen regelmässig. Auch Coelho Lustosa fährt zwei bis drei Mal im Jahr persönlich mit dem Auto vorbei. Nur in der Regenzeit sind Besuche wegen schlammigen Strassen schwierig. Technologie erleichtert den engen Kontakt ebenfalls enorm. "Das Handynetz funktioniert in Teilen des Waldes recht gut. Wir sind mit den Leuten auch per Whatsapp in engem Kontakt."
Knacken am Waldrand
Sind die Nüsse einmal mit Booten aus den Tiefen des Regenwalds transportiert, geschieht alles im Verarbeitungsbetrieb von Coopavam am Waldrand. Rund 60 Menschen verarbeiten die Nüsse jetzt weiter. Der Hauptteil von ihnen sind Frauen. Einige von ihnen leben in der naheliegenden Kleinstadt Juruena. Umgerechnet rund 15 Euro verdienen sie für einen Arbeitstag von 6 Stunden. Das liegt ebenfalls deutlich über dem brasilianischen Mindestlohn von 0.85 Euro pro Stunde.
Die Mitarbeitenden füllen die Samen in einen grossen Trockner, der mit Holzfeuer betrieben wird. Nach dem Aussortieren kommen die Samen, die noch immer von einer Aussenschale umgeben sind, in eine Druckkammer, wo sie mit Dampf behandelt werden. So lassen sie sich im nächsten Schritt besser knacken. Anschliessend kontrollieren die Mitarbeitenden jeden Kern von Hand und entfernen die dünne Haut, die ihn umschliesst. Vor Ort landen die fertig verarbeiteten Kerne dann in derselben Plastikverpackung, in der wir sie zu Ihnen nach Hause liefern.
Langfristige Zusammenarbeit mit gebana
Seit 2020 beziehen wir unsere Paranüsse von der Kooperative. Der Umsatz von Coopavam hat sich im selben Jahr dadurch verdoppelt. Die Arbeit der Kooperative hat uns voll und ganz überzeugt. Deshalb ist unser Ziel, sie ab Herbst 2022 in unser gebana Modell aufzunehmen. Wir wollen langfristig mit Coopavam zusammenarbeiten und die Sammler:innen direkt an unserem Umsatz mit ihren Nüssen beteiligen. "Die Zusammenarbeit mit gebana gibt uns Sicherheit. Wir können grösser werden und damit auch den Sammlern langfristige Verträge anbieten", sagt Luzirene Cuelho Lustosa.
Paranüsse sind mehr als nur ein Snack. In der Region um Juruena bieten sie über 300 Menschen und ihren Familien die Basis für ein gutes Einkommen. Coopavam ist für Luzirene Coelho Lustosa eine Herzensangelegenheit. "Ich empfinde eine grosse Dankbarkeit gegenüber dem Wald. Wir sind stolz darauf, den Wald zu erhalten und gleichzeitig von ihm zu leben zu können."
Weiterführende Informationen zu den indigenen Stämmen, mit denen Coopavam zusammenarbeitet: Cinta Larga, Kaiabi, Munduruku, Suru Paiter, Zoró, Apiaká
Quellen:
1594640174_INC_Statistical_Yearbook_2019-2020.pdf (nutfruit.org)
WSI Mindestlohndatenbank 2021 (boeckler.de)
One percent of tree species in the Amazon forest account for half of its carbon - WUR