Geniessen für das Weltnaturerbe

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Umwelt

Die pazifische Auster bedroht das Ökosystem des europäischen Wattenmeers. 14 Fischer stellen sich dem Eindringling entgegen, zwei arbeiten jetzt mit gebana zusammen. Austern bei gebana? Ja! Antworten auf die brennendsten Fragen zu dem ungewöhnlichen gebana Produkt liefert der Winterthurer Slow-Food-Koch Simon Schneeberger.

Barbara Geertsema-Rodenburg

Barbara Geertsema-Rodenburg

Im europäischen Wattenmeer gibt es tonnenweise pazifische Austern. Wer bei Ebbe am richtigen Ort durchs Watt läuft stolpert beinahe über die Tiere.

Der Ausgangspunkt für die pazifische Auster waren Zuchtkulturen, die in den 1960er Jahren in Frankreich und den Niederlanden entstanden. Von dort hat sie das ganze Wattenmeer erobert. Möglich war das hauptsächlich aus drei Gründen.

  • Keine Konkurrenz

    Im Winter 1962/63 war es über lange Zeit so kalt, dass praktisch alle europäischen Flachaustern im Wattenmeer erfroren. Die einst verbreitete Art verschwand weitgehend und hinterliess eine Lücke im Ökosystem des Wattenmeers.

  • Anpassungsfähigkeit

    Die pazifische Auster kann sich schnell an Umweltveränderungen anpassen, Minustemperaturen überlebt sie ebenso wie Temperaturen über 30 Grad. Diese Anpassungsfähigkeit tragen zu ihrer raschen Verbreitung ebenso bei wie Krankheiten, die sie aus dem Pazifik mitbrachte und die für die heimischen Arten bedrohlich sind.

  • Erderwärmung

    Die pazifische Auster legt ihre Eier nur, wenn die Wassertemperatur über einen längeren, zusammenhängenden Zeitraum bei über 20 Grad Celsius liegt. Die Erderwärmung sorgt dafür, dass das im Wattenmeer immer öfter der Fall ist.

Heute besetzt die pazifische Auster den Platz, den die sich nur langsam erholende heimische Flachauster innehatte. Andere Arten, wie etwa die Miesmuschel sind ebenfalls bedroht.

Jan Geertsema-Rodenburg

Jan Geertsema-Rodenburg

14 Fischer dürfen im Wattenmeer Austern ernten

Da das niederländische und Deutsche Wattenmeer seit 2009 und das dänische seit 2011 zum UNESCO-Weltnaturerbe zählt, ist die pazifische Auster offiziell ein internationales Problem. Mit umweltschonender Fischerei versucht man, die Invasion der pazifischen Auster einzudämmen oder gar zurückzudrängen.

Insgesamt 14 Fischer dürfen im Wattenmeer kommerziell fischen. Barbara und Jan Geertsema-Rodenburg sind zwei dieser Fischer und sie arbeiten diesen Winter das erste Mal mit gebana zusammen. Als Wattfischer, die mit traditionellen Fanggeräten arbeiten und sich für die Erhaltung ihres Berufs und ihrer einzigartigen Umwelt einsetzen, sind sie als «Slow Food Presidio" anerkannt.

Barbara und Jan Geertsema-Rodenburg

Barbara und Jan Geertsema-Rodenburg

Je mehr Austern wir geniessen, desto besser für die Natur

Indem wir wilde Watt-Austern essen, unterstützen wir nicht nur das traditionelle Handwerk von Barbara und Jan, sondern auch die Anstrengungen, das Ökosystem Wattenmeer zu erhalten. Statt die ein Ökosystem bedrohenden invasiven Arten einfach zu vernichten, geniessen wir sie lieber!

Der Winterthurer Slow-Food-Koch Simon Schneeberger weiss viel über Austern und kennt Jan und Barbara persönlich. Er hat uns Fragen rund um die Austern beantwortet.

Wie lange müssen Austern wachsen bis sie geerntet werden können?
Simon Schneeberger: Das durchschnittliche Erntealter liegt zwischen drei und fünf Jahren. Wer’s gern grösser mag, wartet 8 bis 10 Jahre. Auf den Austernschalen sind Jahresringe erkennbar, über die man das Alter bestimmen kann.

Wie werden die Austern geerntet?
Barbara und Jan gehen bei Ebbe zu Fuss durchs Wattenmeer und ernten sie einzeln von den Austernbänken ab.

Gibt's sowas wie Beifang auch bei Austern?
Nein – ausser dass bei Ebbe auch andere Muscheln, wie Coquels, Venusmuscheln und Schwertmuscheln gesammelt werden können.

Wie wird die Überfischung der Austern verhindert?
Eine Überfischung ist leider nicht realistisch. Es wäre ja das Ziel, diese fremde und invasive Art aus ihrem nicht heimischen Ökosystem zu vertreiben.

Ist es nachhaltig Austern zu essen?
Jein. Austern sind in der Schweiz sicher ein Luxus-Produkt – sie müssen ja beispielsweise gekühlt transportiert werden. Zu anderen Austern kann ich nichts sagen, aber je mehr Barbara und Jan ernten, desto besser für das Wattenmeer. Persönlich stehe ich zu 100% hinter den Austern von Jan und Barbara. Wenn Austern, dann unbedingt diese!

Austern lebendig essen – ist das Tierquälerei?
Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten und sie eröffnet eine sehr weit gehende Diskussion. In unserem Sinn empfinden Austern sicher nicht Schmerz, sie haben auch kein Gehirn. Die Forschung ist sich meines Wissens aber auch nicht 100% sicher.

Werden die Austern auf Schadstoffe geprüft?
Die Orte, an denen Austern gesammelt werden, stehen unter ständiger sanitärer Kontrolle des Wirtschaftsministeriums. Wenn das geringste Risiko besteht, dass E-Coli, Salmonellen oder Biotoxine produzierende Algen auftreten, wird das Erntegebiet geschlossen. Die Fischer werden sofort informiert und dürfen in dem betreffenden Gebiet nicht mehr fischen. Auch verarbeitungsfertige Austern, die zur Verpackung bereit sind, werden regelmässig getestet.

Wie essen Sie Austern am liebsten?
Roh, pur, ohne gar nichts.

Was gibt es bei Ihnen dazu?
Wenn dann mit etwas Buttermilch und frischem, fein gehacktem Dill.

Welchen Wein trinken Sie zu den Austern?
Champagner.

Kann man die Austern auch kochen? Wenn ja, wie?
Direkt auf dem Grill, ca. 5 Minuten bis sie aufspringen – nur nicht zu lang, sonst werden sie gummig. Allenfalls mit Vorsicht und dem Austernmesser nachhelfen.

Was tun mit den Schalen?
Auskochen und als Aschenbecher verwenden oder mit dem Hammer zerschlagen und im Garten ausstreuen.


Verwendete Quellen

Was macht eigentlich die pazifische Auster im Atlantik? - Umweltnetz Schweiz (https://www.umweltnetz-schweiz.ch/themen/konsum/3556-was-macht-eigentlich-die-pazifische-auster-im-atlantik.html, abgerufen am 2.12.2020)

Wilde Watt Austern (https://www.wadoesters.nl/de/wilde-watt-austern/, abgerufen am 2.12.2020)

Winter 1962/63 in Europa - Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Winter_1962/63_in_Europa, abgerufen am 2.12.2020)