Gastbeitrag von foodwaste.ch: Fifty shades of grey
...Nein, liebe Leserinnen und Leser, wir wollen hier nicht über den Film reden. Den mag man mögen oder nicht, das Feld wollen wir gar nicht öffnen. Nur darüber, was der Titel wörtlich antönt, könnte Einigkeit herrschen.
Denn das Leben ist meist nicht schwarz oder weiss, sondern weist eben viele Grauschattierungen auf – und gerade das macht es so spannend! Beim Essen hört der Spass aber häufig auf: Da gibt es nach wie vor viel Schwarz-Weiss-Denken: Das Joghurt, welches man letztens gekauft hat, ist heute bestimmt noch frisch (weiss) und morgen aber schlecht (schwarz). Das sagt ja schliesslich auch das aufgedruckte Datum!
Was, wenn unser Essen aber genauso viele Facetten aufweist wie unser Leben? Zugegeben, niemand mag Grauschattierungen auf dem Essen. Dies ist meist ein augenfälliger Beweis dafür, dass man den Kühlschrank zu selten auf noch Vorhandenes überprüft hat. Vielleicht kann uns aber ein besseres Wissen über Haltbarkeitsdaten davor bewahren, Essen wegzuwerfen, wenn es noch auf der «weissen» Seite läge...
Was bedeuten die aufgedruckten Daten nun genau? Am wichtigsten zu unterscheiden sind «verbrauchen bis» und «mindestens haltbar». Ersteres betrifft die Lebensmittelsicherheit und ist daher als strengeres Datum zu betrachten: Es wird auf Lebensmittel gedruckt, auf welchen krank machende Keime wachsen können – dies ist unter anderem bei tierischen Lebensmitteln wie Hackfleisch oder Fisch der Fall. Nach diesem Datum sollten Lebensmittel laut Verordnung «nicht mehr als solche an Konsumenten und Konsumentinnen abgegeben werden». Kein Lebensmittel hat aber eine innere Uhr und wird beim Glockenschlag um Mitternacht schlecht. Wurde es vorher richtig gelagert – z.B. durchgehend gekühlt – können auch die eigenen Sinne eingesetzt werden, um die Lebensmittel auf ihre Frische zu überprüfen. Es gilt aber sicher vorsichtiger zu sein.
Und «mindestens haltbar»? Dies ist kein Ablaufdatum! Es sagt laut Verordnung nur, dass ein Lebensmittel bis zu diesem Datum unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen «seine spezifischen Eigenschaften» behält. Will heissen: Der Hersteller garantiert, dass z.B. ein Guetsli (Hochdeutsch: Keks) bis zu diesem Datum genau so knusprig ist wie eines frisch ab Fabrik. Mindestens haltbar ist somit eine Qualitätsgarantie des Herstellers – und nicht mehr. Wenn das Guetsli nach diesem Datum gummig wird, hat es nicht mehr dieselbe Qualität, macht aber nicht krank. Das gilt vor allem bei Trockenware wie eben Guetsli oder auch Trockenfrüchten. Lebensmittel mit hohem Fettgehalt wie beispielsweise Nüsse, können zudem ranzig werden. Dies merken Sie aber am Fehlgeruch oder am bitteren Geschmack. Sollten Sie so eine Nuss im Mund haben, dann machen Sie das, was Kinder manchmal beim ersten Bissen Brokkoli tun: Spucken Sie sie beherzt aus. Wie die Kinder beim Brokkoli, müssen aber auch Sie nicht mit Folgeschäden rechnen.
Wie eine Studie im Auftrag des BAFU (2014) zeigte, wird das Mindesthaltbarkeitsdatum leider immer noch häufig fehlinterpretiert und als striktes Ablaufdatum verstanden. Und ist damit einer der Gründe, warum in der Schweiz fast die Hälfte des gesamten Food Wastes in den Privathaushalten entsteht.
Ein Lebensmittel ist aber ein organisches Produkt, das kein «on» oder «off» kennt. Das Schlechtwerden eines Lebensmittels ist somit ein Prozess, dem kein Datum 100% gerecht wird – von weiss zu schwarz gibt es also viele Grautöne, die noch immer «zur guten Seite» gehören. Brauchen Sie daher besser Ihre Sinne – anschauen, riechen, probieren – und helfen so mit, unnötigen Food Waste zu vermeiden.
Karin Spori, foodwaste.ch