Chega! - Erfolg für die Bio-Bauern
Marcio Alberto Challiol ist bei gebana Brasil zuständig für die Produktion. Er erklärt, warum CHEGA! so wichtig war für den Bio-Landbau in Brasilien und wie es gebana Brasil und den Bio-Bauern heute - 4 Jahre nach dem Endosulfan-Skandal - geht.
gebana: Welches war aus deiner Sicht der wichtigste Erfolg der CHEGA!-Kampagne?
Marcio Alberto Challiol: Die Kampagne hat eine sehr wichtige Rolle beim Verbot von Endosulfan in Brasilien gespielt. Anhand hunderter Pestizid-Analysen und der Untersuchung der Gründe für die Endosulfan-Verschmutzung durch Experten sowie durch die CHEGA!-Aufklärungskampagne konnten wir die Gefährlichkeit von Endosulfan glaubhaft aufzeigen. Damit haben wir den Reevaluationsprozess für die Zulassung von Endosulfan, den die brasilianische Gesundheitsbehörde ANVISA damals durchführte, entscheidend beeinflusst: Endosulfan erhielt die Zulassung nicht mehr und wurde ab 2013 verboten.
gebana: Was bedeutete die Kampagne für die gebana Brasil und ihre Bio-Bauern?
Marcio: Das Verbot von Endosulfan ist fundamental für den Bio-Landbau in Brasilien und Paraguay, ohne dieses wäre dessen Fortbestehen ungewiss.
Für uns von gebana Brasil und für die Bauern war es extrem wichtig zu zeigen, dass wir Opfer und nicht Täter waren bezüglich der Endosulfan-Verschmutzung. Es ging um die Glaubwürdigkeit unserer jahrelangen Arbeit. Zudem gab die durch CHEGA! erfahrene Solidarität aus der ganzen Welt uns allen starken Rückhalt in dieser von grosser Unsicherheit bestimmten Zeit.
gebana: Wie viele Bauern gaben aufgrund der Probleme von 2010 die Bio-Produktion auf?
Marcio: Wir verloren rund 20 Bauern. Es gaben nur deswegen nicht noch mehr Bauern auf, weil die gebana für die Bio-Soja bezahlte, noch bevor die Untersuchungen abgeschlossen und die Probleme bezüglich Export und Verkauf gelöst waren. Hätten wir erst später bezahlt, wären viele Bauernfamilien in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten. Damit nahm die gebana ein grosses Risiko auf sich.
gebana: Wie viele Kleinbauernbetriebe arbeiten aktuell mit gebana Brasil?
Marcio: Wir arbeiten im Raum Capanema derzeit mit 84 Bauernfamilien. Die Zahl der Kleinbauern ging nicht nur wegen den Problemen mit Endosulfan zurück, für einige war das nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es gibt ein Grundproblem, das gleichzeitig eigentlich eine gute Nachricht ist: Viele Kleinbauern finden ein besseres Auskommen mit Jobs in den regionalen Zentren. Brasilien hat sich in den letzten 10 bis 20 Jahren stark entwickelt. Die negative Seite davon ist, dass diese Bauern ihre Felder mit weniger Aufwand bewirtschaften wollen und auf Gentechnik umsteigen.
gebana: Gehen gebana Brasil bald die Bauern aus?
Marcio: Wir arbeiten in zwei Richtungen, um diesem Trend zu begegnen. Einerseits müssen wir die Abnahme der Anbau-Fläche bei Kleinbauern kompensieren, um die Verarbeitung und den Handel rentabel aufrecht erhalten zu können. Aktuell arbeiten wir deswegen mit zwei mittleren Produzenten mit je rund 70ha Land und zwei grossen Bio-Produzenten, die zusammen 1100ha Land bewirtschaften – was für brasilianische Verhältnisse immer noch ziemlich klein ist – zusammen.
Auf der anderen Seite investieren wir in die Zukunft der biologischen und kleinräumigen Produktion: Zusammen mit Partnerfirmen und Forschungsinstituten suchen wir fieberhaft nach neuen Möglichkeiten um Unkraut, Insekten und Krankheiten effizienter, das heisst unter anderem mit weniger Handarbeit, zu kontrollieren. Zudem müssen die Rotationskulturen und die Bodenfruchtbarkeit sowie Soja- und Getreidesorten verbessert werden. Ausserdem konnten die ersten Kleinbetriebe in Capanema Fair Trade-zertifiziert werden. Mit all diesen Massnahmen konnten wir den Trend weg von der Bio-Landwirtschaft brechen: Aktuell interessieren sich sieben neue Kleinbauern-Familien für den Wechsel zur Bio-Landwirtschaft. Wir glauben, dass wir damit eine Trendwende eingeleitet haben, darauf sind wir stolz. Aber es gibt es noch viel zu tun.
gebana: Das ist interessant, erzähl uns mehr über die Fair Trade zertifizierten Bauern. Wie viele profitieren wie von der Zertifizierung?
Marcio: Wir haben derzeit 25 Fair Trade-zertifizierte Bauern, die sich unter der Vereinigung nachhaltiger Familienbetriebe (Associação de agricultores familiares sustentáveis AAFS) zusammengeschlossen haben. Die Zertifizierung ist enorm wichtig für sie und für den kleinräumigen Bio-Anbau, denn sie garantiert den Bauernfamilien Mehreinnahmen. Zudem werden in die Aktivitäten der AAFS vermehrt auch die Jungen und Frauen involviert – das ist ebenfalls sehr wichtig für den Fortbestand der kleinbäuerlichen Bio-Landwirtschaft hier in Capanema.
Alle Informationen zum Endosulfan-Skandal von 2010 finden Sie auf der Kampagnen-Webseite.