Tunesien aktuell: Der Aufbau beginnt
“Es wird nichts mehr sein wie früher”, sagt Taieb Foudhaili, Geschäftsführer der gebana Maghreb in Tunesien, “die Leute werden sich das Erreichte nicht mehr nehmen lassen, auch wenn die RCD es täglich von Neuem versucht.”
Vor einem Monat haben die Tunesierinnen und Tunesier ihren Diktator verjagt und wurden so über Nacht nicht nur für die arabische Welt vom belächelten, zahmen Volk zum revolutionären Vorbild. In den letzten Tagen und Wochen lag die Aufmerksamkeit nun auf Ägypten, das durch das tunesische Beispiel ermutigt wurde. In Tunesien wird derweil eine neue Gesellschaft aufgebaut.
Die demokratische Revolution in Tunesien hat auch Auswirkungen auf die gebana. Seit Wochen stehen wir in täglichem Austausch mit unseren Partnern der gebana Maghreb.
Übergangsrat organisiert Regionalwahlen
„Alle Unternehmer, die nicht bei der Partei mitgemacht haben und nicht von der “Famille” sind (d.h. zum Klientelkreis der ehemaligen Regierung gehören), haben sich letzte Woche versammelt und einen Rat gebildet. Auch ich bin dabei”, erzählt Taieb Foudhaili bescheiden, aber doch ein wenig stolz. “Leider kann ich deshalb diesen Monat nicht am gebana Treffen zur Qualitätsschulung in der Schweiz teilnehmen. Aber keine Angst, wir werden die Qualität nicht vernachlässigen - im Gegenteil, wir wollen zeigen, dass ein freies Tunesien noch bessere Datteln liefert!
Der Rat sammelte zunächst Unterschriften in der Bevölkerung zur Legitimation. Danach sind wir zur lokalen Verwaltungsbehörde gegangen und haben ihr mitgeteilt, dass ihr das Vertrauen entzogen ist. Als Erstes stellten wir alle Dossiers sicher, damit die Spuren des in der Vergangenheit begangenen Unrechtes nicht verwischt werden können. Unsere zweite Aufgabe ist es, bis in 45 Tagen die Neuwahl der neuen lokalen Verwaltung zu organisieren. Das kann und muss rascher gehen als die Wahlen auf nationaler Ebene. Die Arbeit hat sehr gut angefangen und die ganze Bevölkerung unterstützt uns.”
Aktiver Aufbau
Taieb Foudhaili ist heute allerdings etwas besorgter, als unmittelbar nach der Flucht des Diktators und seines Clans. Damals war die riesige Freude, endlich frei reden zu können, mit Händen greifbar. Aber dann gab es erste Rückschläge. Die Revolution drohte, ausgetrickst zu werden: “Die Regierung setzte am letzten Freitag neue lokale Gouverneure ein. Bei uns in Kebili wurde, wie an vielen anderen Orten, wieder jemand von der Ben Ali-Partei, RCD, eingesetzt. Das war den Menschen zuviel: Sie demonstrierten dagegen. Dabei wurde Rami El Abed, ein junger Mann, von der Polizei getötet. Ein Polizist hatte die Tränengaspatrone direkt auf seinen Kopf abgefeuert. Danach griffen die Leute die Polizeiposten in der Nähe unserer Firma an. Dennoch blieb die Lage unter Kontrolle. Die Leute zündeten die Polizeiposten an, die Bank, die zwischen zwei Teilen des zentralen Postens steht und auch unsere Firma, blieben völlig unversehrt. Das zeigt, dass die Leute sehr gezielt handelten. Schon zwei Tage später haben dann dieselben Jungen Demonstranten den teilweise ausgebrannten Polizeiposten wieder frisch gestrichen. In den Polizeiposten fanden wir Fichen von Regimekritikern und Menschen, die regelmässig beten. Es zeigt sich jeden Tag mehr, dass unter der Diktatur alles genau so oder noch schlimmer war, wie man es vermutet hatte.
Zusammenarbeit mit Kleinbauern: Die richtige Entscheidung
Auch für uns Dattelproduzenten und Exporteure bricht nun eine neue Zeit an und ich bin sehr zuversichtlich. Viele haben uns belächelt weil wir mit den kleinen und bescheidenen Bauern zusammenarbeiten wollten, nun wird dieser Entscheid Früchte tragen: Einige unserer grössten Konkurrenten wurden von der Regierung begünstigt. Sie bauten illegale Brunnen auf riesigen Plantagen und konnten so billiger produzieren. Für die Wasserversorgung, von der unsere Existenz hier, am Rande der Wüste abhängt, war dies eine grosse Bedrohung. In den letzten Wochen haben landlose Bauern solche Plantagen besetzt und unter sich aufgeteilt. Ich sage das aber nur aufgrund der Nachfrage, nicht weil ich mich freue. Wir wollen im Sieg bescheiden sein und die Profiteure des ehemaligen Regimes nicht unnötig demütigen. Ich denke aber schon, dass wir stolz sein dürfen auf die richtige Entscheidung zu fairem Handel und der Zusammenarbeit mit den Kleinbauern von Anfang an. Für uns ist es jetzt das allerwichtigste, normal weiterzuarbeiten und auch, dass unsere Freunde und Partner ihr Vertrauen in uns nicht verlieren.”