Report aus Capanema
Adrian Wiedmer, Geschäftsführer von gebana, berichtet von seinem Aufenthalt in Capanema und über die Situation vor Ort.
“Ich habe die letzten Wochen in Capanema verbracht und viele Besprechungen und Krisensitzungen zum Thema Endosulfan geführt. Die Mitarbeiter von gebana Brasilien und die Biobauern freuen sich sehr über den Erfolg der Kampagne CHEGA!. Sie können es kaum glauben, dass sich Menschen auf der ganzen Welt mit ihrem Kampf gegen das Pestizid Endosulfan solidarisieren. Sie sind sich gewohnt, als Letzte berücksichtigt zu werden.
Es gibt erste positive Entwicklungen, wie das von den brasilianischen Behörden ausgesprochene Verbot ab 2013 - nur ist dies zu spät für die Biobauern in Capanema. Auch dass Bayer Cropscience ihr Produkt Thiodan vom Markt zurückgezogen hat (im August wurden die Restbestände bei der lokalen Cooperative Coagro abgeholt), ist ein wichtiger Schritt. Sehr erfreulich ist, dass die Zulassungsbehörde ANVISA ein offenes Ohr für unser Anliegen hat. So erreichen wir mit unserer Forderung die richtigen Stellen.
Aber das Problem mit Endosulfan ist für die Biobauern noch nicht gelöst. Leider gibt es weiterhin Anbieter von Endosulfan - aus Israel, Indien und Brasilien selbst. Die lokalen Verkaufsstellen von Pestiziden kaufen schon für die anstehende Aussaat ein - auch Endosulfan in grossen Mengen. Wie befürchtet, wird das Gift noch billiger angeboten - wohl wegen dem Verbot ab 2013. Da die Bauern in Capanema arm sind, wird sie der Preis auch für die Behandlung der nächsten Ernte verführen. Ihre Nachbarn, die biologisch anbauen, werden wieder das Nachsehen haben.
Daher werden wir versuchen, die Verkäufe von Endosulfan zu bremsen, indem wir die lokalen Verkäufer über die Probleme durch die Anwendung von Endosulfan informieren. Wir werden sie auch an die gesetzlichen Bedingungen erinnern, nach denen sie verpflichtet sind, von den Bauern eine Deklaration einzuholen, in der diese nachweisen müssen, das sie genügend geschult sind und sich der Gefährlichkeit des Giftes bewusst sind. Dies tut - entgegen der Behauptungen der Hersteller - niemand. Dies könnte ein Mittel sein, um die Verkäufer und Hersteller unter Druck zu setzen.
Was ist mit der Ware aus der Ernte 2010 geschehen? Das Chaos bezüglich der Frage, ob die Ware biologisch ist, konnte nun (nach einem halben Jahr!) von den Behörden und Kontrollstellen weitgehend geklärt werden: wenn die Werte über 0.01 ppm liegen, muss untersucht werden, ob ein Bauer Endosulfan selbst angewendet hat und ob er alles ihm Mögliche getan hat, um Verwehungen vom Nachbarn zu verhindern. Nach diesen aufwendigen Abklärungen (bei jedem einzelnen der über 300 Bauern!) wird die Ware je nach Befund zum Verkauf als Bio freigegeben. Freilich wollen die Kunden von Nahrungsmittelsoja die Soja mit Rückständen weiterhin nicht. So wird sie wohl als Futtersoja verkauft werden müssen. Die daraus resultierenden Verluste sind enorm. Es ist deshalb auch meine Aufgabe mit den Geldgebern zu reden, die Banken zu vertrösten und Pläne zur Sanierung zu schmieden.
Die Situation führt zu einem Gefühl der Ohnmacht und der Wut. Die rücksichtslosen Pestizidhersteller verkaufen Endosulfan in die ärmsten Ecken der Welt, obwohl seit 20 Jahren bekannt ist, wie schädlich das Gift ist. Das bürokratische System der Biokontrolle und der Behörden macht es Kleinbauern fast unmöglichen, biologisch anzubauen. Melden die Bauern das Problem von Rückständen, werden sie noch härter kontrolliert. Wegen unvermeidlichen äusseren Einflüssen müssen die Biobauern daher Unsummen für den Nachweis eines korrekten Anbaus ausgeben, obwohl sie bereits kontrolliert wurden. Bei einem Bauer mit 1 ha Sojaanbau betragen die Kosten für Kontrollstellen und Analysen 30% des Ertragswertes! Und schliesslich wird von ihnen verlangt, dass die Bauern von ihrem kleinen Anbauflächen grosse Gebiete abtreten, um den Abstand zu den Nachbarn zu vergrössern - obwohl im Falle von Endosulfan erwiesen ist, dass das nichts bringt.
Und die Konsumenten, für die letztlich der ganze Aufwand betrieben wird? Ich bin mir sicher, dass 95% wie wir der Meinung sind, dass es wichtiger ist, dass Dank der Biobauern in Capanema Jahr für Jahr weniger hochgiftiges Endosulfan in die Umwelt gelangt (rund 500kg Aktivsubstanz/Jahr), als dass die Biosoja keine Spuren von Endosulfan aufweisen darf, die 20fach unter dem Grenzwert für Nahrungsmittel liegt. Ich bin überzeugt, sie unterstützen die Biolandwirtschaft in Capanema und den Kampf der Biobauern gegen Endosulfan.”