Wahlen in Burkina Faso

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Einblicke

Unsere Freunde in Burkina Faso sind stolz, und das zu Recht: Vor einem Jahr jagte die Bevölkerung den jahrzehntelangen Machthaber Blaise Compaoré aus dem Amt, im vergangenen September verteidigte es diesen Sieg gegen einen Militärputsch. Am Wochenende stehen in Burkina Faso Wahlen an.

Flagge Burkina Faso

Die Hoffnungen auf Wandel, Gerechtigkeit und Demokratie sind gross, doch die Realität wird anders aussehen. Lesen Sie die die Einschätzungen und Erwartungen von zwei Burkinabé:

Assita Heubi, 40 Jahre alt, aus Bobo-Dioulasso:

„Dass wir Blaise Compaoré mit der Revolution vom 31. Oktober 2014 verjagen konnten, ist ein nationaler Stolz. Burkina Faso ist endlich erwacht, um diese Diktatur zu beenden. Nach der Revolution wurde ein bisschen etwas gemacht, um aufzuräumen, aber die Verantwortlichen der Transition hatten Angst. Die Grossen und Mächtigen sind daher geblieben. Ich finde, das Wahlgesetzt, das die Kandidatur von gewissen Kandidaten verbietet, gut. Ich hätte es nicht ertragen zu sehen, dass diese Leute Wahlkampf betreiben. Da bin ich ganz undemokratisch.

Der Militärputsch im September dieses Jahres hat bewirkt, dass wir uns wieder als Burkinabe fühlen und dass wir stolz darauf sind. Wir sind wieder freie und integre Menschen. Das ausserordentlichste ist, dass der „Geist von Thomas Sankara“ zurückgekehrt ist: Ein gewisser Nationalismus und eine Bereitschaft für unser Land aufzustehen. Sankara ist ein Symbol für ein freies Burkina Faso. Die jungen Leute heute sind die Zukunft und sie wollen Gerechtigkeit und Wandel.

An den Präsidentschaftswahlen Ende November wird dennoch ein ‚Ehemaliger‘ gewählt werden. Macht wird hier in Burkina Faso mit einer Person verbunden. Die Leute in den Dörfern sehen die Personen, welche schon immer an der Macht waren, als legitime Machthaber. Über 60% der Menschen im Land sind Analphabeten. Die alten Mächtigen haben die finanziellen Mittel, um grosse Wahlkampagnen zu betreiben und in den Dörfern ‚Geschenke‘ zu verteilen. Die gebildeteren Menschen werden wohl für einen Wechsel stimmen. Aber welcher Präsidentschaftskandidat steht schon wirklich für einen Wechsel?

Die Klientelwirtschaft ist tief verankert hier in Burkina Faso. Siehe zum Beispiel ein Freund von uns: Er hat immer gut mit den Bürgermeistern und Politikern zusammengearbeitet. Er sieht keinen Grund, warum er nun jemanden neuen wählen soll. Die neuen kennt er nicht und daher weiss er auch nicht, ob er auch mit ihnen gut zusammenarbeiten kann.

Selbst wenn ‚Neue‘ gewählt werden, wird es sehr schwierig sein, etwas zu verändern. Die Mentalität der Bevölkerung jedoch hat sich verändert: Das Volk hat verstanden, dass es selber die Macht hat und wird sich nicht mehr alles gefallen lassen. Selbst wenn die Ehemaligen weiter an der Macht sind, wird es darum etwas weniger schlecht sein als vorher. Es wird Veränderungen geben, aber nur sehr langsam. Das Volk hat sehr grosse Hoffnungen im Moment, aber diese können nur enttäuscht werden.

Die Diktatur hat alles erstickt und die anderen politischen Kräfte entmutigt. Das letzte Jahr war zu kurz um wirklich neue Kandidaten aufzubauen. Aber in der Zukunft werden neue Köpfe kommen. Vielleicht werden die ‚Ehemaligen‘ dann bei den nächsten Wahlen in fünf Jahren nicht mehr gewählt und es gibt Platz für grössere Veränderungen.“

Célestin Wilfried Bationo, 46 Jahre alt, aus Ouagadougou:

„Ich blicke den Wahlen hoffnungsvoll entgegen. Auch wenn die ‚Alten‘ gewählt werden, wissen sie, dass es so nicht weitergeht. Man kann ja schliesslich auch nicht irgendeinen Neuling wählen, der keine Erfahrung in der Politik hat. Die ‚Alten‘ haben Erfahrung. Sie wissen auch, was sie falsch gemacht haben und dass das nun nicht mehr geht. Also wenn sie nun nochmals kandidieren, ist das im Bewusstsein, dass sie anders handeln müssen in Zukunft. Die junge Generation will Gleichheit, Gerechtigkeit und Wandel. Diesen Druck spüren die Politiker. Das Volk wird dafür einstehen.

Hier in Ouagadougou konnten die Jungen während des Putsches nicht richtig raus, denn es wurde hart geschossen. Dass die Menschen in Bobo-Dioulasso und im Rest des Landes massiv auf die Strassen gingen, hat uns in Ouagadougou Mut und Rückhalt gegeben. Wir wussten, das Land ist mit uns.“



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1 Der sozialistische Revolutionär Thomas Sankara war von 1983 bis 1987 Staatspräsident Burkina Fasos. Sein Vorbild war das Modell Kubas. Unter ihm wurden grosse Anstrengungen zur Entwicklung des Landes, zur Bekämpfung der Korruption, zur Stärkung der Frau und zur Wiederaufforstung gegen die fortschreitende Desertifikation unternommen. Er ersetzte die alten nationalen Symbole wie Hymne und Flagge durch neue und prägte das Nationalbewusstsein der Burkinabé entscheidend.